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Was hat Hunger mit der Umwelt zu tun?

Serie „Ernährung ist politisch“

Heute geht es weiter mit unserer Serie, in der wir uns mal als Kräuterblog in die politischen Sphären wagen, denn sie gehen uns was an. Im vorigen Beitrag ging es um das in den Menschenrechten verankerte Recht auf Nahrung, das zurzeit am meisten verletzt wird auf dieser Welt, heute geht es darum, was der Hunger mit der Umweltverschmutzung zu tun hat. Auf diese und zwei weitere Fragen antwortet uns Ursula Hudson, Vorsitzende von Slow Food Deutschland.

Unsere neue Serie im Blog @kräuterkraft

 
Was hat die Ernährung mit dem Klimawandel und der Umweltverschmutzung zu tun?

Die Erdüberhitzung (Klimawandel ist eigentlich ein zu freundliches Wort) wird zu gut 30% durch die Art und Weise, wie wir heute Essen erzeugen, mit befeuert. D.h. gut 30% der klimaschädlichen Gase kommen aus landwirtschaftlicher Produktion und Transport.

Quelle: Pixabay

 

Haupt’schädlinge‘ sind dabei vor allem die intensive, industrielle Landwirtschaft, die mit sehr viel Düngemitteln und Pestiziden arbeitet. Dazu kommen die närrischen Transportkilometer, die ein durchschnittliches Fertiggericht hinter sich bringt, bis alle Komponenten von so einem zusammengesetzten Lebensmittel beieinander sind, das sind an die 1200 km – vom Bauernhof bis zum Teller.

Foto: Jaroslav Bialik auf Pixabay

 
Was sagen Sie zum Biodiversitätsverlust?

Der Biodiversitätsverlust, der in den letzten hundert Jahren 75% unserer Flora und Fauna dahingerafft hat, dürfte nach dem großen IPBES Bericht vom April nun allen sattsam bekannt sein. Was das Problematische dabei ist: Wir haben vor allem im agrikultrellen Bereich viel an Vielfalt verloren!

Mein Lieblingsbeispiel sind die Äpfel: Weltweit gibt es viele Tausend Sorten, nur 25 davon werden im Erwerbsobstbau kultiviert und nur sieben davon regelmäßig im Handel angeboten.

Tierrassen verschwinden, eigentlich alles, was der Pflege und der Zeit bedarf, fällt sozusagen aus der Zeit. Hühnerrassen … die wurden nur noch von den Liebhabern gehalten und gezüchtet. Seit den 60er Jahren ist das Huhn ausschließlich der Wirtschaft überlassen, d.h. es wurde so gezüchtet, dass es möglichst effizient Fleisch oder Eier bringt. Das Effiezienthuhn ist ein Hybridhuhn der Hühnerindustrie, das nur noch genau das kann: fressen, Eier legen oder Fleisch ansetzen, um nach 28 Tagen geschlachtet zu werden.

Ramelsloher Huhn, Foto: Thomas Jensen

Der Artenverlust zeigt sich aber auch an den Fischen… im Mittelmeer sind fast 90% der Fischbestände überfischt, damit ist die Vielfalt der Fischarten und marinen Ökosysteme drastisch gefährdet.

Das närrische Überangebot in den Supermärkten täuscht uns eine riesige Vielfalt des Angebots vor, das ist aber falsch, denn die meisten Nahrungsmittel dort bestehen aus billigen Rohstoffen. Von den 50.000 essbaren Pflanzen, die weltweit verbreitet sind, stammen mittlerweile 60% der Energiezufuhr aus nur drei Pflanzen: Mais, Weizen und Reis (siehe Dimensions of need, FAO).

Foto: Steve Buissinne auf Pixabay

 
Sie stellen Adipositas und Diabetes dem Hunger gegenüber…

Wir haben trotz massivem Überfluss an Lebensmitteln heute immer noch knapp eine Milliarde Menschen, die hungert, das ist statistisch betrachtet jeder neunte Mensch. Wir reden von lebensbedrohendem Hunger!

Gleichzeitig nimmt die Zahl der mangelernährten Menschen, also auch der adipösen massiv zu: Das ist bereits jeder dritte weltweit. Das hat laut anerkannter Studien (Monteiro 2010 ist meines Erachtens immer noch sehr überzeugend) mit den Lebensmitteln aus billigen Rohstoffen und den Erfrischungsgetränken zu tun.

Man darf aber angesichts der Hungerzahlen und der steigenden Weltbevölkerung nicht darauf reinfallen zu glauben, man müsse nun massiv mehr Lebensmittel erzeugen. Wir produzieren heute schon Lebensmittel, die für 12 Milliarden Menschen Weltbevölkerung ausreichen würden. Wir haben leider nur ein massives Verteilungs- und Gerechtigkeitsproblem:

Foto: Gerd Altmann auf Pixabay

 

Während der postindustrielle Norden massiv überproduziert und wegwirft, hat die Bevölkerung auf der südlichen Hemisphäre weit weniger zu essen.

Ursula Hudson; Foto: Holger Riegel

 

Dr. Ursula Hudson ist Vorstandsvorsitzende von Slow Food Deutschland und Mitglied des Vorstands von Slow Food International. Die Kulturwissenschaftlerin und Autorin behandelt in ihren Vorträgen und Büchern vor allem das Thema Essen, dessen Geschichte und Kultur, die Regionalität von Lebensmitteln und die kulinarische Bildung. Sie hat von 1996 bis 2004 an den Universitäten von Cambridge und Oxford (UK) gelehrt und geht seit 2005 einer freien Forschungs- und Autorentätigkeit nach.

 

 

 

Das nächste Mal befragen wir Ursula Hudson, wieso wir mit der Gabel in Verbindung mit der Welt stehen …

 

 

https://www.museia.it/2019/05/22/ausgekocht/

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